Die Anfänge der Militarisierung der US-Grenze mit Mexiko
Bis 1916 war die Grenze zwischen den USA und Mexiko eine ‚Linie im Sand‘. Sichtbar gemacht einzig durch den Roosevelt-Korridor, einem Grenzstreifen, der im Zuge der Intensivierung transnationaler, wirtschaftlicher Beziehungen 1882 während des Porfiriats eingerichtet wurde. Er war das zivile Projekt einer befriedeten Grenze mit Grenzzoll und offiziellen Grenzübergängen nach dem Ende der Apachenüberfälle. Doch 1916 endete wieder die Phase, in der die kapitalistischen Interessen US-amerikanischer Minenbesitzer, Eisenbahninvestoren und Rinderbarone die antimexikanischen Ressentiments überwogen. Mexikos revolutionäre Dekade, die die Jahre 1910 bis 1919 umfasst, veränderte das Gesicht der Grenze nachhaltig. Denn die revolutionären Kämpfe begannen im Norden. Wer die Grenzstädte unter sich hatte, kontrollierte Zolleinnahmen und Waffennachschub. In El Paso, auf der US-amerikanischen Seite des Rio Bravo, konnten sich die Revolutionäre ganz legal mit Waffen und Munition versorgen. Das änderte sich erst nach der Ermordung des mexikanischen Präsidenten Francisco Madero, als die US-Regierung im Oktober 1915 Venutiano Carranza – Pancho Villas Intimfeind – als neuen Präsidenten Mexikos anerkannte und ein Waffenembargo verhängte. Wer weiter kämpfte – wie Pancho Villa, der sich von den USA verraten fühlte -, musste die Waffen nun ins Land schmuggeln. Um sich zu rächen, überfiel Pancho Villa im März 1916 mit 480 Mann das US-amerikanische Garnisonsstädtchen Columbus in New Mexico. Damit wurde Villa für die USA über Nacht Staatsfeind Nummer 1. Bereits fünf Tage nach seinem Überfall marschierten zehntausend amerikanische Soldaten in Mexiko ein, die Jagd auf ihn machten. Diese militärische Operation ging als Mexikanische Strafexpedition in die US-amerikanischen Geschichtsbücher ein. Kommandiert wurde sie von General John Pershing. Präsident Carranza protestierte gegen die Verletzung mexikanischer Souveränität. Doch Washington ließ verlauten, dass die Expedition so lange in Mexiko bliebe, bis Carranza für den Schutz der Grenze garantieren könne. Da Pancho Villa in Chihuahua weiterhin unauffindbar blieb, konnte er das nicht. Im Juni 1916 kam es bei Carrizal (Chihuahua) zu einer Kampfhandlung zwischen Truppen der 10. US-Kavallerie und Soldaten der regulären mexikanischen Armee, bei der 23 amerikanische Soldaten gefangen genommen wurden. Hätte Carranza nicht vor Ablauf des Washingtoner Ultimatums die Gefangenen den USA übergeben, wäre es zum Krieg gekommen. Allein in El Paso waren schon über vierzigtausend reguläre und freiwillige Soldaten stationiert. Im September 1916 wurde hier die bis dato größte Musterung der Geschichte durchgeführt. 111.000 Milizionäre der US-amerikanischen Nationalgarde hatten sich an der Grenzlinie aufgereiht. Sie wurden von den Texas Rangers, den örtlichen Polizeikräften und den Home Guards unterstützt, einer bewaffneten Bürgerwehr.* Elf Monate dauerte die Unternehmung in Mexiko, die der US-Armee nebenbei die Gelegenheit bot, mit Panzer- und Flugzeugeinsätzen den Ernstfall zu testen: den Kriegseintritt in Europa. (Pancho Villa wurde nicht gefasst.)
- Eine Veranstaltung der ‚Freunde des IAI‘
Am Mittwoch, den 13. März, um 18 Uhr, begeben sich die Autorin Jeanette Erazo Heufelder (Welcome to Borderland, 2018) und die Kulturanthropologin Stephanie Schütze (Freie Universität Berlin) auf Spuren der Geschichte und Gegenwart beiderseits dieser Grenze, die ebenso viel eint wie trennt – zwischen Alltag, Gewalt, Migration und Imagination.
Welcome to Borderland – Die beiden Seiten der US-mexikanischen Grenze | Gespräch | Mittwoch, 13.März 2019, 18 Uhr, Simón-Bolívar-Saal, Ibero-Amerikanisches Institut, Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin | Sprache deutsch | Eintritt frei
*Harris, Charles & Louis R. Sadler: The Secret War In El Paso. Mexican Revolutionary Intrigue, 1906-1920. 504 S., Albuquerque 2009.
Foto: ‚Mexikanische Strafexpedition‘ via Wikimedia Commons