Auf die Frage, warum für Beobachter die Wahlen in Brasilien von geradezu schicksalshafter Bedeutung sind, erinnerte die Politikwissenschaftlerin Dr. Claudia Zilla in einem kürzlich geführten Interview an Brasiliens Symbolkraft in der Region. Als großes Land und starke Volkswirtschaft präge es das Bild Lateinamerikas. Als Haupthandelspartner vieler anderer Länder in der Region gelte es in vielerlei Hinsicht als politisches Modell. „Wenn dort Entwicklungen stattfinden, die vielleicht nicht besonders demokratisch oder nicht besonders stabil sind, hat das natürlich negative Auswirkungen auf die Nachbarländer“, so die Leiterin der Forschungsgruppe Amerika an der Stiftung „Wissenschaft und Politik“ in dem Gespräch mit dem Deutschlandfunk Kultur. Am Dienstag, den 30. Oktober, 18 Uhr, wird Claudia Zilla gemeinsam mit dem brasilianischen Soziologen Luiz Ramalho im IAI das Wahlergebnis vom Sonntag und seine Folgen für das – politisch betrachtet – extrem polarisierte Land analysieren. Dr. Luiz Ramalho wurde 1952 in Rio de Janeiro geboren und hat als Jugendlicher die Militärregierung erlebt. Im Juni 1968 erlitt er in Rio de Janeiro bei der „Sexta Feira Sangrenta“, dem „Blutigen Freitag“, eine schwere Schussverletzung. 1969 verließ er Brasilien und ging nach Deutschland. Als sich 2014 der Militärputsch, mit dem die Diktatur begann, zum 50. Mal jährte, organisierte er die Brasilientage „Nunca Mais“, die sich in Filmen, Ausstellungen und Gesprächsrunden mit der Folter und dem Verschwinden von Regime-Gegnern während der Diktatur auseinandersetzten.
Brasilien nach den Präsidentschaftswahlen | Eine Veranstaltung der Freunde des IAI und des Ibero-Amerikanischen Instituts |Dienstag, 30. 10. 2018, 18.00 Uhr, Simón-Bolívar-Saal | Ibero-Amerikanisches Institut, Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin
deutsch | Eintritt frei
Das Gespräch mit den Brasilien-Experten wird von Peter B. Schumann moderiert.
Hier noch das Interview mit Claudia Zilla in voller Länge:
Mit der Wahl-Nachlese am 30. Oktober startet eine dreiteilige Reihe, die die FREUNDE DES IAI zu Brasilien veranstalten. Am 27. November geht es weiter mit dem bekannten Berliner Brasilianisten Prof. Dr. em. Henry Thorau, der sich in einem Vortrag mit dem brasilianischen Theater in der Diktatur beschäftigt. Und am 6. Dezember zeigt der Brasilianist Dr. Vinicius Mariano de Carvalho (King’s College London) anhand von Beispielen zensierter Werke und von Archivdokumenten, wie die Mechanismen der Zensur während der Militärdiktatur im Bereich der Musik funktionierten.
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