Aus unserer letzten Veranstaltung: „Kultur im Konflikt am Beispiel Argentinien, Brasilien und Venezuela“ einige Zitate:
Dr. Sandra Schmidt (Publizistin)
Die von Präsident Mauricio Macri in Argentinien eingeleiteten wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zeitigen deutliche Auswirkungen im Bereich der Kultur: Laut dem Verband argentinischer Theaterunternehmer zählte man im August 2016 32% weniger Theaterbesuche als 2015, Schätzungen zufolge gibt es bis zu 50% weniger Buchverkäufe. Der ‚tarifazo’ – die exorbitante Erhöhung der Abgaben für Gas, Strom und Wasser – trifft diesen Sektor doppelt, da er bei einer Inflation um die 40% zu einer deutlichen Kaufkraftminderung der Argentinier führt.
Die Proteste der Kulturschaffenden in Buenos Aires gegen die Politik der Regierung Macri reichen von künstlerischen Performances im öffentlichen Raum über Großdemonstrationen bis zu Milongas vor der Casa Rosada.
Dr. Luiz Ramalho (Soziologe)
Fora Temer! (Weg mit Temer!) ist noch heute vor jeder Kulturveranstaltung in Brasilien zu hören, denn eine der ersten Maßnahmen des Interimspräsidenten Temer war die Abschaffung des Kulturministeriums. Es hatte erst 1999 durch Präsident Cardoso seine heutige Struktur und in den Regierungszeiten von Lula da Silva und Dilma Rousseff zusätzliche Bedeutung erlangt. Besonderes Gewicht wurde auf die Förderung der Breitenkultur gelegt: die afrobrasilianische Kultur und das große kreative Potential abseits der Zentren Rio de Janeiro und São Paulo.
Als Kulturminister wurde Marcelo Calero ernannt, ein Diplomat ohne wirklich Erfahrung. Er musste im November zurücktreten, nachdem er sich geweigert hatte, den Denkmalschutz in der Altstadt von Salvador de Bahia aufzuheben, wo ein Konzern ein Hochhaus errichten wollte, in dem verschiedene Minister und auch der Präsident Eigentumswohnungen erworben hatten. Ein weiteres Beispiel für den tiefen Sumpf, in dem die politische Klasse Brasiliens steckt.
Dr. Manuel Silva Ferrer (Kulturwissenschaftler)
In Venezuela, dem ölreichsten Land Lateinamerikas, herrscht seit langem der Notstand, den die dafür verantwortliche Regierung Maduro mit Notstandsgesetzen zu beherrschen versucht. Im Frühjahr kam es neben der Versorgungskrise auch zu einer Energiekrise, zu stundenlangen Stromsperren im ganzen Land. Darunter litten alle kulturelle Aktivitäten, die in den Abendstunden stattfanden, in denen die Verbraucher gezwungen worden waren, Energie zu sparen.
Hier wird nur noch auf Sparflamme gearbeitet. Großunternehmen wie die Majors aus Hollywood halten die Stellung, weil sie auf Veränderungen hoffen. Alle ausländischen Verlage haben das Land verlassen, denn bei der hohen Inflation lässt sich nur noch Verlust machen. Auch internationale Fernsehgesellschaften, die hier viel produzierten, haben sich völlig zurückgezogen. Und so sieht es auch in anderen Bereichen aus. Das Land isoliert sich kulturell immer stärker.
