Seit dem Aufstand der Bürgergesellschaft gegen eine Rentenreform 2018 gehen Präsident Ortega und Vizepräsidentin Murillo gewaltsam gegen die Opposition und auch die Medien vor, die letzte Bastion des öffentlichen Widerstands, nachdem jegliche Demonstrationen verboten wurden.
Ein Beitrag von Peter B. Schumann*
„Miguel Mora hat wie viele andere in seinem TV-Programm lediglich Informationen verbreitet. Das hat doch wirklich nichts mit Terrorismus zu tun.“
So Jáuregui Atondo, der Sprecher der Kommission von Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die vor kurzem Nicaragua besuchen konnte. Miguel Mora ist der Direktor des Nachrichtenkanals 100% Noticias. In einer Nacht- und Nebelaktion kurz vor Weihnachten besetzte Militärpolizei den Sender, konfiszierte das Eigentum und verhaftete ihn zusammen mit Lucía Pineda Ubau, der Pressesprecherin. Sie sollen – laut Staatsanwalt – terroristische Akte vorbereitet und zum Hass aufgestachelt haben. Für Jáuregui Atondo ein absurder Vorwurf:
„Wenn man Miguel Mora und Lucía Pineda überhaupt etwas vorwerfen kann, dann reicht das allenfalls für Hausarrest, aber nicht für Gefängnis in einer Dunkelzelle, die er wochenlang nicht verlassen durfte.“
Wie es darin aussah, hat José Ignacio Faria, ein weiteres Kommissionsmitglied, notiert.
„Er befand sich in Isolationshaft, einem verdreckten Raum voller Speisereste und Plastikgeschirr, vielleicht 2x3m groß und einem Bettgestell ohne Matratze. Das sind unmenschliche Bedingungen, unter denen man nicht einmal Schweine aufziehen würde.“
Die EU-Parlamentarier konnten immerhin erreichen, dass er in ein anderes Gefängnis verlegt wurde: in eine Gemeinschaftszelle zusammen mit 18 politischen Häftlingen. Lucía Pineda wird unter erträglicheren Bedingungen in einem Frauengefängnis festgehalten. Um Verhaftungen zu entgehen, sind zahlreiche Journalistinnen und Journalisten ins Nachbarland Costa Rica geflohen und versuchen von dort, Informationen über das Unterdrückungsregime Ortega/Murillo zu liefern – wie Carlos Fernando Chamorro, der namhafteste Journalist des Landes und Direktor der Internetzeitung Confidencial sowie des TV-Programms Esta Semana:
„Die Militärpolizei ist auch in unsere Räume ohne Gerichtsbeschluss eingedrungen, hat sie besetzt und uns praktisch enteignet. So geht diese Diktatur gegen uns vor. Danach unterstellt sie uns kriminelle Handlungen, um uns Strafen auferlegen zu können.“
Oder sie schikaniert die wenigen unabhängigen Medien, die in Nicaragua noch existieren – wie z.B. die beiden Tageszeitungen La Prensa und El Nuevo Diario. Douglas Carcache ist der stellvertretende Direktor von El Nuevo Diario:
„Im Wert von 100.000 $ werden rund 90 t Druckpapier, Farbe, Ersatzteile etc. seit einem halben Jahr vom Zoll festgehalten. Juristischer Widerspruch war erfolglos. Dadurch sind wir in eine ziemlich schwierige Situation geraten. Das vorhandene Papier reicht allenfalls bis April. Dann können wir nur noch digital erscheinen. Aber die Leute wollen eine gedruckte Zeitung lesen, denn relativ wenige haben hier Internet.“
Darin liegt auch die Schwierigkeit für Carlos Fernando Chamorro in Costa Rica. Die Nicaraguaner können sein kritisches Fernsehprogramm nur über Youtube und über Facebook empfangen. Dennoch gilt auch für ihn das Bekenntnis von Miguel Mora:
„Sie können uns einsperren, Prozesse gegen uns führen, sie können auf uns schießen oder wie einen Kollegen ermorden. Aber wir werden uns in unserem Engagement für einen würdigen Journalismus und für die Meinungsfreiheit nicht beirren lassen, damit die Freiheit nach Nicaragua zurückkehren kann.“
* Dieser Beitrag war am 13.02.19 im ‚SWR – Journal am Abend‘ zu hören
Foto: Homenaje a Angel Gahona periodista asesinado en Nicaragua
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. https://www.flickr.com/photos/mejiaperalta/27873140068