Was wäre, wenn wir die USA und Mexiko nicht länger als zwei getrennte Staaten betrachten, sondern uns stattdessen mit ihrer gemeinsamen Geschichte, Kultur und Wirtschaft auseinandersetzen und sie als Teile einer einzigen Region auffassen würden?
Diese Frage stellten die mexikanische Architektin Tatiana Bilbao und ihr New Yorker Kollege Nile Greenberg. Die Antworten, die sie auf ihre Frage von dreizehn Architekturfakultäten aus Mexiko und den USA in Form von Zeichnungen, Bildern und Modellen architektonischer sowie städtebaulicher Entwürfe erhielten, können derzeit noch bis zum 25. April 2019 in Berlin im Aedes Architekturforum in der Christinenstraße betrachtet werden. Noch einmal die Initiatoren der Ausstellung:
Im derzeitigen politischen Klima werden vor allem die Unterschiede zwischen beiden Seiten der Grenze betont, die Migration steht im politischen Diskurs an erster Stelle und das North American Free Trade Agreement (NAFTA) wird als United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) neu verhandelt. Vor diesem Hintergrund macht sich die Ausstellung auf die Suche nach einer dringend benötigten neuen Perspektive.
Mit Two Sides of the Border möchten die Ausstellungsmacher zu einem neuen Verständnis der Region beitragen, das auf Grundlage einer einheitlichen Wahrnehmung fließend Sprachen, Grenzen, Institutionen und Nationalitäten überbrückt.
Doch das Interesse an transnationalen border cities erklärt sich wohl auch damit, dass die Gouverneure von Chihuahua (Mexiko) und New Mexico (USA) 2013 den Ausbau des Grenzkorridors zur Ländersache machten und bereit waren, in einen Masterplan zu investieren, der um die Zukunftsvision einer binationalen Grenzstadt kreist.
Two Sides of the Border ist nicht das erste binationale Projekt, dass sich mit der transnationalen Stadt der Zukunft beschäftigt. Schon 1989 fertigten Harvard-Studenten den Entwurf einer solchen Community an, die in der Nähe von Ciudad Juarez und El Paso als ‚Stadt des 21. Jahrhunderts‘ entstehen sollte. Und ein Vierteljahrhundert später entwickelte der mexikanische Architekt Fernando Romero – einst Tatiana Bilbaos Partner in dem auf Stadtforschung spezialisierten Büro Laboratorio de la Ciudad de Mexico – jenen Entwurf, der 2013 die Unterstützung der Gouverneure von New Mexico und Chihuahua fand. 2016 präsentierte Romero Los Santos auf der Londoner Design Biennale und wurde dafür gepriesen, dass hier Urbanisierung planmäßig erfolge durch eine grundlegende soziale und kulturelle Infrastruktur, die historisch gewachsenen Städten fehle.
Vor allem jedoch unterscheidet Los Santos von historisch gewachsenen Grenzstädten, dass sich das 300 km² große Areal, auf dem die Stadt entstehen soll, in Privatbesitz befindet. Los Santos ist der Plan einer Industrie- und Handelsstadt mit Wohnvierteln, Schulen und Kliniken, die den marktliberalen Visionen der Grenzregion-Unternehmer folgt. In den Mexico Industry News schwärmt man bereits von der Umwandlung der kargen Wüstenregion in eine „ultramoderne Transit-Zone, die die Zuführung von Milliarden Dollar in den globalen Kommerz erleichtert.“
Foto: Blick von Ciudad Juárez nach El Paso ©Jeanette Erazo Heufelder