‚El Draque‘ und die ersten karibischen Allianzen

Francis Drake, den die Spanier El Draque oder auch einfach nur El Corsario nannten, stand wie kein Zweiter für die janusköpfige Spanienpolitik der englischen Königin Elisabeth I. Drake war der Joker, den Elisabeth in ihrem Machtpoker mit dem spanischen König Philipp II. einsetzte. Auf unzähligen Kaperfahrten sengte er den Bart des spanischen Königs an. Nur vordergründig waren die Kaperfahrten die privaten Unternehmungen eines draufgängerischen Einzelgängers. Als Spaniens Selbstbewußtsein als Weltmacht spürbar und der Reichtum sichtbar wurde, verstärkte sich der Unmut am englischen Hof und in der Kaufmannschaft über das Handelsmonopol der Spanier in Westindien, wie das neuentdeckte Amerika anfänglich genannt wurde. Zur wachsenden Kluft zwischen England und Spanien trug auch die religionspolitische Entzweiung bei. Spanien unter König Philipp verstand sich als Bollwerk des Katholizismus. Elisabeth I. führte zu Ende, womit ihr Vater, Heinrich VIII;  begonnen hatte: England wurde endgültig protestantisch.

So abenteuerlich Drakes Leben war – die Rolle, die er spielte, war typisch für seine Zeit. Um 1540 geboren, kam der Predigersohn Drake als junger Mann zu einflußreichen Verwandten nach Plymouth. Eine Hafenstadt mit wachsender Bedeutung. Bekannte Seefahrer- und Kaufmannsfamilien lebten hier; eine aufstrebende Schicht im elisabethanischen England. Zu den wohlhabenden Familien in Plymouth gehörten die Hawkins, Verwandte von Francis Drake. Vater Hawkins verdiente sein Geld als Wollhändler. Sein Sohn John entdeckte ein noch lukrativeres Geschäft, den Sklavenhandel. Die portugiesischen und spanischen Sklavenhändler, die das Monopol in den westindischen Kolonien besaßen, konnten die Nachfrage nicht bedienen. Bei den gemeinsamen Fahrten mit John Hawkins erhielt Drake in den 1560er Jahren einen Eindruck vom Reichtum der spanischen Kolonien. In den Hafenstädten, in denen die englischen Sklavenhändler wochenlange Verhandlungen mit den Spaniern führten, befanden sich die Schatzhäuser, in denen das Gold und Silber aus allen Regionen Westindiens lagerte, bevor es im Flottenverband nach Europa gebracht wurde.  Nachdem Francis Drake zum Kapitän eines eigenen Schiffes avanciert war, plante er seine erste Kaperfahrt in die Karibik.

Zunächst erkundete er sein Jagdrevier, erforschte die Karibikküste von Rio de la Hacha in Kolumbien bis Nombre de Dios im heutigen Panama, kartierte Buchten und Inseln in den karibischen Gewässern zwischen Hispaniola, der heutigen Dominikanischen Republik, und den Häfen Borburata in Venezuela sowie Nombre de Dios. Bald kannte er jede Sandbank, jede Bucht, jede Insel. Drake knüpfte Allianzen mit den Feinden Spaniens.   Auf den ehemaligen San Blas-Inseln rebellierten die Kuna Yala gegen die spanischen Kolonialherren. Sie paktierten mit französischen Piraten. Vor kurzem noch Sklavenhändler, freundete sich Drake nun auch mit Cimarrones an, entflohenen Sklaven, deren Siedlungen in den dicht mit Dschungel bewachsenen Küstenregionen des Darién lagen. Mit ihrer Hilfe führte er auch einen Überfall auf die spanischen Maultiertransporte aus, die auf dem Camino Real über die panamaische Landenge die Schätze aus den Silberminen Perus und den Perleninseln des Pazifiks  zur Karibikküste brachten. 

Francis Drake kehrte als vermögender Mann nach Plymouth zurück. Zum ersten Mal brachte er der Queen Beute mit und erhielt Zugang zum Hof. Allerdings erst einmal nur durch die Hintertür. Drake sollte England den Weg zu den Reichtümern Asiens öffnen. Durch die Magellanstraße am Südende des amerikanischen Kontinents, spanischem Hoheitsgebiet. Im Krisenfall wäre er der Krone entbehrlich. 

Am 19. September 1577 brach er mit 5 Schiffen und rund 160 Männern auf. Seine Weltumseglung der Jahre 1577 bis 1580 war eine Piratenfahrt – die Queen war neben weiteren adligen Investoren stille Teilhaberin an seinem Unternehmen.  Allein die Ladung eines einzigen Schiffes – das Silber der Cacafuego – überstieg im Wert den Einsatz der Investoren. Als Drake nach drei Jahren wieder in Plymouths Hafen einlief, konnten seine adligen Finanziers einen Gewinn von 4000 Prozent verbuchen. Drake füllte die Kassen der Krone– ohne jemals zu einer ernsten Gefahr für sie zu werden. Dazu fehlten ihm der Name und die Unterstützung am Hof. Die Königin setzte ihn mit Vorliebe dort ein, wo er ihr am meisten nutzte: der karibischen See. 1585 hinterließ seine auf 22 Schiffe angewachsene Flotte auf dem großen Raubzug  durch die wichtigsten Häfen der westindischen See eine Spur der Zerstörung. Doch als es 1586 zum offenen Konflikt mit Spanien kam, setzte  ihn Queen Elisabeth nur in der zweiten Reihe ein. In der Schlacht gegen die spanische Armada war Drake Vizeadmiral unter Admiral Lord Howard of Effingham.  

Mit dem Sieg über die spanische Armada stieg England zur Seemacht auf. Piratenmethoden hatten in der offiziellen Politik vorerst ausgedient. Auf See herrschten nun militärischer Korpsgeist und Teambewußtsein. Für beides hatte Drake wenig übrig. Er wäre reich genug gewesen, um ehrenvoll und ruhig sein Leben zu genießen. Besitzer von Mühlen und Ländereien, Bürgermeister, Abgeordneter im Parlament, Privatier in Buckland Abbey, an der Seite einer schönen Frau. Aber es ließ ihm keine Ruhe, dass ihm bisher nie die Kaperung der spanischen Schatzflotte selbst geglückt war.

1596 gelang es ihm, die Queen für ein letztes Unternehmen in der Karibik zu gewinnen. Mit seinem Verwandten John Hawkins brach er auf. Doch auf dieser Reise, die die Krönung seines Kaperlebens sein sollte, wandelte sich Drakes einstige Stärke in Schwäche um. Die Spanier kannten mittlerweile die Taktiken des alten Kaperkapitäns und empfingen ihn gut vorbereitet an jedem Hafen.  Francis Drake war nicht mehr unverwüstlich.   Das Tropenfieber traf dieses Mal nicht nur die Mannschaft. Es traf auch die alten Kapitäne. In den Gewässern vor Puerto Rico starb John Hawkins, in der Bucht von Porto Belo folgte ihm Drake. 

Foto: Portobello Wikimedia Commons

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