Zum Tod von Fidel Castro (II)

Kulturpolitische Bilanz nach dem Tod Fidel Castros

| Von Peter B. Schumann |
DEUTSCHLANDRADIO-KULTUR – Fazit 26.11.16

„Welche Recht haben die revolutionären und nicht-revolutionären Schriftsteller und Künstler? Innerhalb der Revolution jedes Recht, gegen die Revolution kein Recht.“

Mit diesen sog. Worten an die Intellektuellen markierte Fidel Castro bereits 1961 eine scharfe Trennlinie zwischen den Kulturschaffenden, die sich dem vorgegebenen Korsett anpassten, und jenen, die sich nicht ohne Widerstand unterordnen wollten. Eine große Gruppe liberaler Intellektueller wurde damals ausgegrenzt und verließ die Insel. Trotz der Dauerpression, die bis heute herrscht, sind in den bald 58 Jahren seit dem Sieg der Revolution große Werke der Literatur, des Films, der Kunst und der Musik entstanden.

In den 1960ern, den ‚heroischen Jahren des Aufbruchs‘ galt die Insel sogar als Zentrum revolutionärer Kultur. Sie diente als internationales Aushängeschild des neuen Cuba, aber auch als Feigenblatt, das die inneren Widersprüche bemäntelt sollte.

Doch 1971 brachen sie unübersehbar auf und ließen die doktrinäre Grenze erkennen. Heberto Padilla, damals ein kaum bekannter Poet, hatte sich mit einem Band wenig konformer Gedichte Außerhalb des Spiels – so sein Titel – angesiedelt. Eine Jury des Schriftsteller-Verbands hatte dieses Buch ausgezeichnet und damit heftige Diskussionen bewirkt. Wenig später wurde Padilla sogar als „Konterrevolutionär“ verhaftet. Erst auf internationalen Druck kam er frei.

Heberto Padilla sagte über die Zeit danach: „Diese Jahre waren äußerst schwer. Ich habe zu Hause als Übersetzer gearbeitet, habe die schlechtesten bulgarischen Autoren übersetzen müssen. Ich wollte nichts wie weg, ich konnte nicht mehr. Ich habe mich ständig beobachtet und verfolgt gefühlt. Nach acht Jahren ließen sie mich endlich raus. Ich ging weg, weil ich wusste, dass es nach dem Gefängnis keine wirkliche Eingliederung in einem kommunistischen Land gibt.“

von Krokodyl (Selbst fotografiert) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Von Krokodyl (Selbst fotografiert) GFDL | CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Der Fall Padilla war der spektakulärste Akt von Zensur und Repression in den Aufbaujahren und der Beginn des sog. grauen Jahrfünfts, der düstersten, der stalinistischen Phase der Cubanischen Revolution. In diesen frühen 1970er Jahren wurde jede Form von Kritik unterdrückt, wurden Intellektuelle verfolgt, Schriftsteller mundtot gemacht, Wissenschaftler mit Arbeitsverbot belegt, Homosexuelle in Umerziehungslager gesperrt. Fidel Castro vollzog zunächst einen Bruch mit der Intelligenz Cubas, die versucht hatte, eigene revolutionäre Wege einzuschlagen. Als der Scherbenhaufen unübersehbar war, machte er eine Kehrtwende und schickte Armando Hart, einen Gefolgsmann aus der Zeit des Widerstands gegen die Batista-Diktatur, zu den Kulturschaffenden, um sie zu beruhigen. Ein kulturpolitisches Tauwetter folgte, das sich vor allem in der bildenden Kunst bemerkbar machte.

Antonio José Ponte charakterisiert dies so: „Diese Bewegung unterzog u.a. den öffentlichen Diskurs, die Sprache der politischen Symbole, einer kritischen Revision. Sie ironisierte mit Plakaten und Graffiti die politischen Parolen und die revolutionäre Ikonografie. Sie machte auch vor dem sozialistischen Realismus nicht halt, sondern steigerte seinen Kitsch. Alle Symbole, derer sich ein solches System bediente, selbst die Nationalflagge, wurden infrage gestellt.“

In der relativ liberalen Phase der 80er Jahre hofften die Intellektuellen auf Glasnost und Perestroika wie in der Sowjetunion. Doch darin sah Fidel Castro eine Gefahr für sein revolutionäres Lebenswerk und kapselte die Insel in den 90er Jahren der weltweiten Verunsicherung gegen alle Versuche ab, den harten Kurs aufzuweichen. Die folgende Zeit war von ständigen Querschüssen gegen aufmüpfige Kunst und Kultur geprägt, von der Angst des Regimes, die Kontrolle zu verlieren. Doch der innere Widerstand wuchs angesichts der wirtschaftlichen Katastrophe, in die Cuba geriet, nachdem die Sowjetunion die Versorgungspipeline gekappt hatte.

Die Verfolgung jeglicher Form von Opposition wurde zur täglichen Praxis und erreichte im März 2003 ihren Höhepunkt. Fidel Castro ließ 75 Journalisten, Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten verhaften und kurz darauf von Schnellgerichten zu drakonischen Strafen von bis zu 25 Jahren Gefängnis verurteilen. Der 58-jährige Poet Raúl Rivero erhielt eine der Höchststrafen und wurde gezwungen, sie in einer Strafzelle abzusitzen. „Sie ist kleiner als ein normales Badezimmer. Ich konnte 6 Schritte gehen, aber meine Arme nicht völlig ausbreiten. Es gab eine Zinkplatte mit einer Matratze, ein stinkendes Loch im Boden als Toilette, ein Zementbecken zum Waschen, ein Rohr, aus dem Wasser floss, zweimal für 15 Minuten am Tag. Und das bei der unerträglichen feuchten Hitze im kubanischen Sommer. Außerdem gab es unzählige Mücken, jede Art von Ungeziefer, Frösche, Ratten, kleine Schlangen und Grillen, die einen nicht schlafen ließen. Dort verbrachte ich ein ganzes Jahr.“

Auch durch den Regierungswechsel von Fidel zu Raúl Castro hat sich an der Doktrin von 1961 nichts geändert. Kritik wird unnachgiebig verfolgt. Selbst die weltweit gelobten Romane von Leonardo Padura, gegenwärtig Cubas berühmtestem Schriftsteller und Nationalpreisträger, sind auf der Insel nur einem kleinen Kreis Privilegierter zugängig, denn seine Kritik könnte ansteckend sein.

Von Fidel Castros großem Kulturprojekt ist nur der Traum des Liedermachers Pedro Luis Ferrer geblieben. Er hat schon vor Jahren von einem anderen Cuba gesungen: „einem Land der Freiheit für alle, einem pluralistischen Staat für das ganze Volk“.  

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